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Forschungsinitiative »Stationäre Jugendhilfe«
HOCHSCHULSCHRIFTEN
 
 
Jana Sabban
Psychosoziale Belastungen Jugendlicher in der nichttherapeutischen Jugendhilfe. Anforderungen an benachteiligte Jugendliche und Konsequenzen für das Hilfesystem
(Master-Arbeit 2009)
Zitation
Sabban, Jana (2009). Psychosoziale Belastungen Jugendlicher in der nichttherapeutischen Jugendhilfe. Anforderungen an benachteiligte Jugendliche und Konsequenzen für das Hilfesystem. Master-Arbeit. Berlin: Alice Salomon Hochschule, Master-Studiengang Klinische Sozialarbeit.
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Abstract
Ziel dieser Arbeit ist es, auf eine Gruppe komplex beeinträchtigter und sozial benachteiligter Jugendlicher und junger Erwachsener aufmerksam zu machen, die als »schwer erreichbare Klientel« (hard to reach clients) in ihrer komplexen Entwicklungsstörungsproblematik bisher zu wenig ausreichendem fachlichen Verständnis in der Jugendhilfe begegnen.
Das Thema der Masterthesis generiert sich aus dem Praxisfeld der Berliner Regel-Jugendhilfe. Kinder und Jugendliche, die gravierenden Störungen in ihrer psycho- sozialen Entwicklung ausgesetzt waren, bilden dabei eher die Regel als die Ausnahme. In der Praxis gestaltet es sich oft sehr schwierig, Jugendliche, die im nichttherapeutischen Betreuten Wohnen leben, in ausreichender Form zu versorgen, da sich das teilstationäre Setting des Betreuten Jugendwohnens in Form geringerer Kosten- und Personalausstattung deutlich von therapeutischen Settings abgrenzt. Multipel belastete Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien werden unabhängig von ihrem therapeutischen Bedarf zunehmend nichttherapeutischen Settings zugewiesen. Fachlich bedeutet es, dass gerade Jugendliche mit erheblichen traumatisierenden Belastungen im sozialen Nahfeld ein besonders hohes Risiko des Scheiterns von Jugendhilfemaßnahmen aufweisen. Überforderungen und Ratlosigkeit der professionellen Helfer lassen auf eine »Verständnislücke« in der Jugendhilfe schließen, in deren Folge eine reale »Behandlungslücke« (treatment gap) klafft.
In der Einleitung der Arbeit werden sozioökonomische und psychosoziale Belastungs- und Risikofaktoren für die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter dargestellt. In einer empirischen Untersuchung werden drei Fragestellungen verfolgt:
  1. Welche psychosozialen Belastungsfaktoren weisen Jugendliche in der stationären nichttherapeutischen Jugendhilfe auf?
  2. Wie hoch ist der Anteil mehrfach belasteter Jugendlicher in der untersuchten Gruppe?
  3. Weisen Jugendliche in der nichttherapeutischen Jugendhilfe weniger psychosoziale Belastungen auf als Jugendliche in therapeutischen Einrichtungen der Jugendhilfe?
Mithilfe des Erhebungsbogens der Katamnese-Studie therapeutischer Wohngruppen in Berlin (KATA-TWG, Arbeitskreis der Therapeutischen Jugendwohngruppen Berlin, 2009) wurden 40 abgeschlossene Fälle eines Jugendwohnprojektes analysiert und ausgewertet. Um die Dimensionen der psychosozialen Belastungen deutlich zu machen und ein psychodynamisches Fallverstehen zu unterstützen, werden Erkenntnisse der Bindungstheorie und der Psychotraumatologie in Bezug auf Risiken entwicklungspsychologischer Reifung vertieft.
Daraus ergeben sich mögliche Implikationen für die Praxis sowohl der therapeutischen als auch der nichttherapeutischen der Jugendhilfe, wobei die kritische Auseinandersetzung auch führender Theoretiker (z.B. Prof. Dr. Jörg M. Fegert) mit dieser Unterscheidung skizziert wird. Besonders die sich derzeit entwickelnden traumapädagogischen Ansätze in der stationären Jugendhilfe könnten einen besseren Zugang zu den bisher "schwer erreichbaren", hoch belasteten, traumatisierten Kindern und Jugendlichen in der stationären Jugendhilfe schaffen. Die Klinische Sozialarbeit mit ihren Methoden und Handlungskompetenzen kann dabei als Katalysator für die Umsetzung traumapädagogisch orientierter Ansätze in der pädagogischen Praxis wirken, um den Bedürfnissen und Entwicklungschancen psychosozial schwer belasteter Kinder und Jugendlicher nachhaltig besser gerecht werden zu können.